Vom Rohbau zum verlässlichen Digitalen Zwilling

Ein Rohbau ist selten millimetergenau. Doch genau diese Präzision ist entscheidend, wenn die nächsten Gewerke ihren Platz finden sollen oder wenn das entstandene Bauwerk zum langfristigen Digital Twin weiterentwickelt wird. Schon heute lassen sich Punktwolken nutzen, um nachzuweisen, wie weit Realität und Planung auseinanderliegen, und um Bauteile im Modell punktgenau nachzuführen. Schweizer Bauunternehmungen demonstrieren es bereits. Es werden Punktwolken ausgewertet, Toleranz¬abweichungen detektiert und die BIM-Modelle im laufenden Prozess nachgeführt, um den „As-Built“-Zustand zu dokumentieren.

Diesen Ansatz greifen wir hier exemplarisch auf. Er zeigt, wie sich nach dem Betonieren eines Geschosses in wenigen Stunden die Basis für einen belastbaren Digitalen Zwilling schaffen lässt. Dabei kommen durchweg offene Formate zum Einsatz, eingebettet in einen klar strukturierten Workflow.
Der Einsatz von offenen Standards und der OpenBIM-Ansatz, der von vielen Softwareherstellern unterstützt wird, spielt hierbei eine zentrale Rolle. OpenBIM ermöglicht eine herstellerunabhängige Zusammenarbeit und sichert die Interoperabilität zwischen verschiedenen Softwarelösungen. Dies gewährleistet nicht nur die nahtlose Integration von Daten, sondern auch die langfristige Nutzbarkeit des Digitalen Zwillings über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks hinweg.

Laserscanning als Ausgangspunkt

Sobald der Rohbau freigegeben und gut zugänglich ist, erfasst das Vermessungsteam den Baukörper mit terrestrischen 3D-Scannern. Innerhalb weniger Minuten entsteht eine hochaufgelöste Punktwolke, die bereits vor Ort grob registriert werden kann. Ein internes Fixpunktnetz, eingemessen durch einen Vermessungsdienstleister, dient zunächst den Laserscannern und später auch den Totalstationen im Innenausbau.

Cloud-to-Model: Abgleich ohne Umwege

Die Punktwolke wird in die Verarbeitungssoftware eingelesen und per Cloud-to-Model-Analyse mit dem IFC-Koordinationsmodell abgeglichen. Abweichungen werden sofort sichtbar. Der Prüfer definiert die zulässigen Toleranzen, typischerweise ±10 mm für Wände und ±5 mm für tragende Stützen. Die Software färbt alle Abweichungen außerhalb dieser Schwellenwerte ein und erstellt für jedes betroffene Bauteil ein Prüfergebnis. Statt eines statischen Reports wird das Ergebnis als BCF 2.1-Paket gespeichert. Darin steckt alles, was die Fachplaner brauchen: Screenshot, Kameraposition, IFC-GUID und der gemessene Versatz.

Kollaboration via BCF – offen und nachvollziehbar

Das BCF-Paket wird im Common Data Environment (CDE) abgelegt, etwa in BIMcollab, BIMPlus oder einem anderen BCF-kompatiblen System. Hier kommt die Stärke offener Standards erneut zum Tragen: Durch die Herstellerneutralität des BCF-Formats können Fachplaner unterschiedliche Softwarelösungen verwenden und dennoch problemlos zusammenarbeiten. Öffnet ein Fachplaner das Issue im Authoring-Tool, zoomt die Ansicht automatisch in die kritische Zone. So erkennt der Tragwerksplaner sofort, dass eine Stütze von ihrer Soll-Achse abweicht und passt das IFC-Modell entsprechend an. Danach wird der Issue geschlossen oder dokumentiert, warum die Abweichung akzeptabel ist. Diese Interoperabilität schafft nicht nur Effizienz, sondern auch Nachvollziehbarkeit und Transparenz im gesamten Planungs- und Bauprozess.

Mehrwert für Bau & Betrieb

Spätestens beim Eintreffen der Ausbaugewerke oder TGA-Firmen zeigt sich der Nutzen offener, herstellerneutraler Formate: Leitungsführungen und Trockenbauprofile basieren auf geprüften Rohbaumassen, die durch den Einsatz von IFC und BCF standardisiert und qualitätsgesichert sind. Nachträge wegen Maßabweichungen werden seltener, der Bauablauf gewinnt an Tempo. Im Betrieb bildet das qualitätsgesicherte Modell die Grundlage für CAFM-Systeme, Energiemonitoring oder Umbauplanungen. Offene Formate garantieren hierbei, dass die digitalen Informationen langfristig nutzbar bleiben, unabhängig davon, welche Softwarelösungen zukünftig zum Einsatz kommen. Kurz gesagt: Ein sauber gepflegtes „As-Built“-Modell, das auf offenen Standards basiert, spart nicht nur Kosten, sondern verlängert den Lebenszyklus digitaler Informationen und schafft eine nachhaltige Basis für Bau und Betrieb.